Ein großer Versicherer hat nun erstmals auch gebrauchte Ersatzteile zugelassen, um PKW nach einem Unfall zu reparieren.
Wer in den letzten Jahren die Entwicklung der privaten Kfz-Versicherung verfolgt hat, der kann sagen: Der Branche geht es nicht so gut. Die Autoversicherer sahen sich mit rasant steigenden Kosten konfrontiert, doch die hohe Inflation war nicht der alleinige Grund hierfür. Auch die Preise für Autoersatzteile verteuern sich seit Jahren rasant - in einem Ausmaß, das sogar die Inflation weit übersteigt. „Während der Verbraucherpreis-Index seit Januar 2013 um knapp 28 Prozent stieg, erhöhten Autohersteller ihre Ersatzteilpreise um mehr als 70 Prozent“, wusste Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV, im August 2023 zu berichten. Für einen durchschnittlichen Kfz-Schaden mussten die Versicherer 2023 rund 3.700 Euro zahlen, 2013 waren es noch 2.400 Euro.
Deshalb geben die Autoversicherer derzeit im Branchenschnitt mehr für Kosten und Verwaltung aus, als sie an Beiträgen einnehmen. Das Kölner Analysehaus Assekurata schätzt, dass derzeit mehr als jeder zweite Anbieter sein Versicherungsgeschäft nicht profitabel betreibt. Zeitgleich trifft die Branche auf einen hart und erbittert geführten Preiswettbewerb. Im Kampf um neue Kunden heben sie die Beiträge nicht so stark an, wie es eigentlich notwendig wäre, um wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Wie kann ein Ausweg aussehen? Hier geht die Allianz neue Wege: Als vielleicht erster deutscher Versicherer lassen die Münchener nun auch eine Reparatur mit gebrauchten Teilen zu. Das führt zum einen dazu, dass Autos billiger repariert werden können. Und zum anderen ist dies auch umweltfreundlicher, weil keine Neuteile hergestellt, die Rohstoffe hierfür abgebaut und transportiert werden müssen. Laut einer Studie mit Beteiligung des Fraunhofer Instituts verursachen Reparaturen zwischen 40 und 60 Prozent weniger Emissionen als der komplette Austausch eines Bauteils. Das liegt auch daran, dass Altteile, oft noch hochwertig, nicht entsorgt werden müssen.
Was aber bedeutet dies für die Kundinnen und Kunden? Zunächst müssen sie keine Angst haben, dass unter dem Austausch die Sicherheit leidet. Wiederverwenden will der Versicherer Teile wie Türen, Front- und Heckklappen, aber auch Spiegel oder Scheinwerfer. Sicherheitsrelevante Teile wie Lenkungen, Achsen-Teile oder Räder sollen dagegen nicht wieder verwendet werden. Auch ist nicht anzunehmen, dass nun im großen Stil diese Teile zum Einsatz kommen. Es handelt sich zunächst um ein Modellprojekt. Zudem kann man davon ausgehen, dass auch für diese Teile die Garantie und Gewährleistung neu greift. Hier hilft im Zweifel eine Rücksprache mit der Autowerkstatt, ob und welche Teile verbaut werden.
Was in Deutschland noch relativ ungewohnt ist, wird in Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden oder Frankreich schon seit längerer Zeit praktiziert. Und man kann davon ausgehen, dass weitere Kfz-Versicherer diesem Beispiel folgen werden, wenn Deutschlands größter Versicherer gebrauchte Ersatzteile zulässt. Solche Neuerungen durch große Wettbewerber führen oft dazu, dass sich Lösungen branchenweit etablieren. Auf lange Sicht könnte dies helfen, Kfz-Versicherungsprämien zu reduzieren oder wenigstens zu stabilisieren, haben doch die Kosten direkten Einfluss auf die zu zahlende Prämie. Wer nicht wünscht, dass gebrauchte Teile verbaut werden, sollte dann im Schadenfall den Kontakt mit seinem Versicherer suchen.